Arbeiten von Studierenden der Uni Marburg
KI und Kreativität
Kreativität gilt bis heute als eine der besonderen Fähigkeiten des Menschen. Der Begriff leitet sich vom lateinischen creare ab, was „erschaffen“ bedeutet. In der christlichen Tradition galt ursprünglich nur Gott als wahrer Schöpfer, während der Mensch lediglich Dinge nachahmen konnte, die bereits existierten. Erst in der Neuzeit setzte sich die Vorstellung durch, dass auch Menschen Neues erschaffen können. Im 18. Jahrhundert wurde der Begriff durch die Idee des „Genies“ erweitert. Künstlerinnen und Künstler galten nun als außergewöhnlich kreative Persönlichkeiten, die als „göttlich inspiriert“ betrachtet wurden. Kreativität wurde in dieser Zeit
nicht mehr als Nachahmung verstanden, sondern als individuelle und originelle Schöpfung. Der kreative Prozess selbst erschien als spontan und nicht vollständig erklärbar. Dieses Verständnis von Kreativität als etwas Mysteriösem und Einzigartigem wurde im 20. Jahrhundert zunehmend durch die technische Reproduzierbarkeit von Kunstwerken – etwa durch Fotografie und Film – infrage gestellt. Auch die Wissenschaft begann, sich intensiv mit dem Phänomen Kreativität auseinanderzusetzen. Joy Paul Guilford entwickelte 1950 das Konzept des „divergenten Denkens“, das als entscheidender Bestandteil kreativer Prozesse gilt. Guilford war einer der ersten, die Kreativität nicht nur als Gabe von Genies verstanden, sondern als Fähigkeit, die sich trainieren und fördern lässt. Diese Forschung führte zu einer breiteren Auseinandersetzung mit der Frage, was Kreativität im Kern eigentlich ausmacht. Lange Zeit wurde sie ausschließlich als menschliche Eigenschaft betrachtet. Doch mit den Fortschritten im Bereich Künstlicher Intelligenz stellt sich heute immer mehr die Frage:
Können auch Maschinen kreativ sein?
Durch die rasante Entwicklung von KI-Systemen ist es inzwischen möglich, sie in kreativen Bereichen wie Kunst, Design oder Musik einzusetzen. Doch die Unterschiede zwischen menschlicher und maschineller Kreativität sind deutlich: Sie liegen vor allem in Bewusstsein, Intention, Emotion, Reflexion, Originalität und dem Verständnis von Kontext. KI-Modelle wie DALL·E, Midjourney oder Stable Diffusion erzeugen Bilder, indem sie bereits existierende Informationen neu kombinieren.
Sie entnehmen Muster aus großen Trainingsdatensätzen und setzen diese zu etwas scheinbar Neuem zusammen, ohne eigenes Bewusstsein oder eine eigene Absicht. Maschinelle Kreativität beruht im Kern auf mathematischen Modellen, die Muster erkennen und neu anordnen, ohne dabei wirklich zu „denken“ oder eigene Ideen zu entwickeln.
Gerade in der Mode zeigt sich das besonders deutlich: Die großen Bilddatensätze führen dazu, dass KI meist bestehende ästhetische Codes und Schönheitsideale verstärkt, anstatt völlig neue zu entwerfen.
Ein wesentlicher Unterschied bleibt: Menschen können ihre Gedanken gezielt steuern, Ideen bewusst entwickeln und neue Konzepte mit Emotionen, Erfahrungen und persönlicher Motivation verbinden. Kreativität entsteht dabei oft aus dem inneren Wunsch, etwas zu schaffen, ein Problem zu lösen oder sich künstlerisch auszudrücken.
Darüber hinaus spielt Reflexion eine zentrale Rolle. Menschen sind in der Lage, ihre kreativen Entscheidungen zu hinterfragen und sich dabei weiterzuentwickeln. Künstliche Intelligenz kann zwar emotionale Muster in Daten erkennen, versteht deren Bedeutung aber nicht und kennt weder kulturelle noch soziale Kontexte. Diese fehlende Fähigkeit zur Selbstreflexion begrenzt, was Maschinen wirklich eigenständig erschaffen können.
Und dennoch: KI eröffnet neue Spielräume. Sie kann kreative Prozesse beschleunigen, überraschende Impulse liefern oder Ideen zugänglich machen, die vorher ungedacht blieben. Was genau wir unter Kreativität verstehen, wird sich weiter verändern. Die Antwort liegt nicht allein in der Technologie, sondern auch in unserem Blick auf sie.
Die folgende Abbildung fasst die Unterschiede zwischen menschlicher und maschineller Kreativität noch einmal zusammen.
Verfasst von Alina Gutschalk
(Der Text wurde mithilfe von Chat-GPT auf Rechtschreib- und Grammatikfehler überprüft und entsprechend überarbeitet)
You don’t need Imagination. You have us.
Die voranschreitende Entwicklung von KI und der Innovationen, die mit diesem neuen Tool geschaffen werden, ist so rasant, dass man kaum noch hinterherkommt. Von selbstfahrenden Autos bis hin zu fußballspielenden Robotern befinden wir uns in einem Zeitalter, das einer utopischen Zukunft aus Science-Fiction-Filmen immer näher kommt. Während das Internet um die 2010er-Jahre als die schnellste und effektivste Informationsquelle galt, wurde diese Funktion inzwischen von KI-Assistenten wie ChatGPT oder DeepSeek übernommen.
Eine der größten Bedenken in Bezug auf die alltägliche Nutzung von KI ist die zunehmend schwindende Fähigkeit zur Imagination, zum kritischen Hinterfragen und zur aktiven, eigenen, geistigen Auseinandersetzung mit Themen und Ideen. Auch wenn es nach wie vor notwendig und wichtig (!) ist das kritische Stimmen gegen die rasante Entwicklung der KI aussprechen, befinden wir uns jedoch an einem Punkt, an dem es keine Zukuntf ohne KI geben wird.
Effizienz, Kostenersparnisse und schnelle Ergebnisse sind die Argumentationen von den Befürwortern der Einsetzung von KI in kommerziellen Branchen. Schon heute erleben wir erste Kampagnen mit vollständig KI-generierten Models durch Tools wie Style3D. Hier wird Künstliche Intelligenz nicht nur zur Visualisierung von Designs eingesetzt, sondern auch zur realitätsnahen Simulation der Beweglichkeit der Stoffe und zur Umsetzung virtueller Fotoshootings. Was einst als aufwendige Produktion mit Models, Studios, Fotograf*innen und Stylist*innen verbunden war, kann nun digital und skalierbar innerhalb weniger Stunden entstehen. Die Grenze zwischen Realität und digitaler Fiktion beginnt sich aufzulösen; insbesondere in Bereichen wie Werbung, E-Commerce und Social Media.
Doch was bedeutet diese Entwicklung für kreative Berufe und für Mode als kulturelle Ausdrucksform?
Jeder kann mittlerweile zugriff auf Websites haben wie Tailornova oder BootstrapFashion, die den möglichen Traum des Beruf als Modedesigner*in simulieren kann. Solche Webseiten folgen immer einem systematischen Ablauf: Design – Simulation – Schnittmuster – Visualisierung – gegebenenfalls auch Produktion. Plattformen wie diese setzen allerdings meist technisches Vorwissen voraus, wenn es nun um die Produktion solcher Schnitte geht. Somit fehlt derzeit an Nutzerfreundlichkeit für Beginnende. Ebenso ist die Korrektheit der Schnittmuster nicht immer garantiert. Was solches Tools allerdings schaffen können, ist die Anregung, tatsächlich selbst aktiv zu werden und sich am Nähen auszuprobieren.
KI-generierte Designs stoßen bei vielen Menschen auf Skepsis. Auf Online-Plattformen wie Reddit werden diese Tools rege diskutiert. Viele Nutzer*innen äußern dabei den Wunsch, Mode lieber weiterhin von Menschen gestalten und produzieren zu lassen; mit dem Argument, dass Menschen ein besseres Verständnis für den menschlichen Körper und dessen Bewegungsdynamik hätten.
Mode war schon immer mehr als nur Funktion: Sie ist Identität, Zeitgeist, Repräsentation und Politisch. Kleidung wird als etwas Persönliches wahrgenommen, als Ausdruck individueller Lebensstile, sozialer Zugehörigkeit oder politischer Haltungen. Der „generische Look“ vieler KI-generierter Entwürfe wirkt oft glatt, perfekt und anonym, was im Widerspruch zur Idee von Individualität und Authentizität steht. Genau an diesem Punkt entzündet sich viel Kritik: Wird Mode durch KI nicht nur effizienter, sondern auch austauschbarer? Verliert Mode dabei nicht die kulturell aufgeladene Tiefe zweckmäßig ihrer Effizienz an den Kapitalismus?
Gleichzeitig liegt in der bewussten Kombination von menschlicher Kreativität und maschinellem Potenzial ein enormes Feld neuer Möglichkeiten. In ihrem Kapitel „Generative Models as Fashion Designers“ beschreibt Leanne Luce (2018) genau dieses Spannungsfeld: Sie sieht KI weniger als Ersatz für Designer*innen, sondern als Werkzeug, dass Prozesse beschleunigen, Inspirationen generieren und gestalterische Vielfalt erweitern kann. Luce betont, dass KI besonders dort stark ist,
wo sie Aufgaben übernimmt, die für den Menschen repetitiv oder datenbasiert sind, während das kreative Konzept, das Gespür für Kultur und Kontext weiterhin beim Menschen liegt.
Die zentrale Herausforderung bestünde also darin, Kreativität und Technologie nicht gegeneinander auszuspielen, sondern sinnvoll zu integrieren. Der Mensch bliebe dabei die entscheidende Instanz , als Kritiker*in, Kurator*in und Erzähler*in.
Wichtig bei all diesen Entwicklungen ist, dass Künstliche Intelligenz niemals die Vorstellungskraft des Menschen ersetzen oder gar einschränken darf. So beeindruckend die technischenMöglichkeiten auch sind, sie dürfen nicht dazu führen, dass wir unsere eigene Kreativität verlernen.
Vielmehr sollten wir KI als das begreifen, was sie im besten Fall sein kann: ein Werkzeug, das unsere Ideen ergänzt, verstärkt und uns neue Perspektiven eröffnet. Die Imagination selbst jedoch bleibt zutiefst menschlich; sie entsteht im Zwischenraum von Emotion, Erfahrung, Erinnerung und Intuition.
In einer Zeit, in der wir uns technologisch einer Welt annähern, die lange nur in Science-Fiction-Filmen denkbar war, ist es umso entscheidender, den menschlichen Geist aktiv zu halten. Kreativität ist nicht im binären Code oder im neuronalen Netzwerk zu finden, sondern in der Art, wie wir diese Technologien nutzen, interpretieren und weiterdenken. Wir dürfen uns nicht in eine Zukunft hineinfallen lassen, in der Maschinen die schöpferische Kraft übernehmen und Menschen zu passiven Konsument*innen werden. Eine Welt voller kreativer Maschinen, aber ohne kreative Menschen, wäre keine Utopie, sondern eine stille, geistlose Dystopie.
Deshalb liegt es an uns, diesen Wandel nicht nur technisch, sondern auch kulturell und ethisch zu begleiten. Kreativität muss menschlich bleiben; nicht, weil Maschinen es nie könnten, sondern weil wir nie aufhören sollten, es selbst zu wollen.
Verfasst von Stella Bruno
(Der Text wurde mithilfe von Chat-GPT auf Rechtschreib- und Grammatikfehler überprüft und entsprechend überarbeitet)
KI und Kreativität: Ein Interview mit Maren Burghard
Wie verändert sich unser Verständnis von Kreativität, wenn Künstliche Intelligenz ins Spiel kommt? Die Digitalkuratorin Maren Burghard spricht im Interview über ihre Erfahrungen mit KIgestützten Gestaltungsprozessen, über das Zusammenspiel von menschlicher Idee und maschineller Umsetzung und darüber, wo sie die Potenziale, aber auch die Grenzen maschineller Kreativität verortet.
Was bedeutet Kreativität für Sie persönlich? Und wie verändert sich dieser Begriff, wenn wir ihn auf KI anwenden?
Wenn ich selbst kreativ arbeite oder glaube, kreativ zu arbeiten, dann sind das meistens zwei Mechanismen, die passieren. Das eine ist: Ich versuche, Muster, die ich aus anderen Kontexten kenne, neu zu kombinieren oder Dinge miteinander zu verknüpfen, um ein bestimmtes Thema zu entwickeln. Und der zweite Punkt ist, dass ich versuche, einen kleinen Bruch in die Sache zu bringen. Das kann ein ironischer Bruch in einem Text oder in einem Bild sein oder eine kritische Perspektive.
Meiner Meinung nach kann KI diesen ersten Punkt sehr gut erfüllen – vielleicht sogar besser als wir Menschen. Sie kann Dinge extrem schnell miteinander kombinieren, wofür wir sehr lange bräuchten. Im Bildbereich gibt es das ja schon länger, zum Beispiel Rendering oder Photoshop. Ich konnte theoretisch schon immer ein Auto mit Leopardenfell gestalten, aber ich konnte es praktisch nicht umsetzen, obwohl ich viel mit Photoshop arbeite. Es wäre einfach zu aufwendig. Mit KI geht das jetzt sehr schnell. Da ist KI wirklich stark und bietet oft sogar überraschende Ansätze – gerade durch Unschärfen oder unerwartete Kombinationen, auf die wir selbst vielleicht nicht gekommen wären.
Der zweite Punkt ist schwieriger. So sehr ich es auch versuche: Dieser geplante Bruch – das, was eine Idee interessant macht – etwa ein Zitat, Ironie oder überhaupt Subtext, also eine kritische Ebene – das kann die KI meiner Erfahrung nach nur sehr schwer leisten. Oder sie schafft es erst, wenn ich sie sehr lange dazu zwinge. Und dann hätte ich es meist auch schneller selbst gemacht.
Gibt es für Sie bestimmte Bedingungen, die Kreativität unbedingt erfüllen muss? Man sagt oft, Kreativität braucht Bewusstsein, Reflexion, Intention oder Emotion. Sind das für Sie auch wichtige Punkte, die eine Rolle spielen und die die KI dann eben nicht leisten kann?
Eigentlich weniger, weil die Intention ja von mir kommt. Ich muss der KI überhaupt erst etwas vorgeben, ich muss ihr einen Prompt geben, damit sie überhaupt arbeitet. Da ist es sehr einfach, meine eigene Intention hineinzubringen. Ich gehe nicht davon aus, dass die KI selbst eine Intention hat.
Das sind aber alles Punkte, mit denen ich mich nicht theoretisch oder wissenschaftlich befasst habe. Das ist nur meine Beobachtung aus vielen Jahren, teilweise sogar Jahrzehnten kreativer Arbeit. Und dabei habe ich gemerkt: Auch bei Menschen funktioniert das nicht immer so eindeutig. Nur weil jemand eine Intention, ein Bewusstsein oder eine Idee hat, heißt das nicht automatisch, dass am Ende auch wirklich etwas Kreatives dabei herauskommt.
Ich finde, dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass wir in der Debatte darüber, ob KI kreativ ist, manchmal vergessen, dass wir uns als Menschen oft überschätzen. Wenn ich mit Expert*innen spreche oder Texte zu dem Thema lese, habe ich sehr häufig den Eindruck, dass wir Menschen uns als absolut kreativ darstellen und dass die KI angeblich nur ein paar Teilaspekte erfüllen kann. Ich nehme das aber gar nicht so wahr. Ich erlebe auch, dass Menschen, die ich grundsätzlich als kreativ
einschätze, oft in Meetings zusammensitzen und dann fällt ihnen einfach nichts ein. Genau da liegt einer der großen Vorteile daran, mit KI zu arbeiten: Der KI fällt immer etwas ein. Sie wird nicht müde, braucht keinen Kaffee, sie läuft einfach immer weiter.
Mein Fazit dazu ist: Ich muss genau wissen, mit welchem KI-System ich was erreichen will, und setze es dann gezielt ein. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass Ironie schwierig ist, dann bringe ich sie am Ende selbst noch ein. Aber ich nutze vorher die ganzen Fähigkeiten der Kombination, für die ich selbst viel länger brauchen würde.
In der Ausstellung begegnen Besucher*innen auch KI-generierten Arbeiten. Dabei stellt sich die Frage, ob man das als eigenständige Ausdrucksform sehen kann oder eher als Erweiterung menschlicher Kreativität. Ich glaube, das knüpft gut an das an, was Sie eben gesagt haben: Wahrscheinlich ist es eher eine Erweiterung – ein Werkzeug, das man bewusst nutzen kann.
Genau. Wir haben in der Ausstellung ein Experiment mit Neugestaltung von Postuniformen gemacht. Dabei haben wir versucht, die KI wirklich fast komplett eigenständig arbeiten zu lassen, mit sehr wenigen Vorgaben. Genutzt haben wir dafür ChatGPT und Midjourney. Zuerst hatte ChatGPT die Aufgabe, historische Postuniformen zu analysieren – einfach, um sich selbst einen Kontext zu geben für die zweite Aufgabe. Diese bestand dann darin, auf Grundlage dieser Analyse
ein Konzept zu entwerfen: Wie könnten Postuniformen im Jahr 2025 aussehen – unter den Bedingungen von Nachhaltigkeit, gerechten Arbeitsbedingungen und Diversität? Mehr Vorgaben gab es nicht. Wir haben in den Prozess nicht eingegriffen und auch nicht gesagt: „Langweilig, mach mal was anderes“, sondern wir haben einfach genommen, was die KI geliefert hat. Im zweiten Schritt haben wir ChatGPT gebeten, aus dieser Idee einen Text zu erstellen, der sich als Prompt für ein Text-zu-Bild-System wie Midjourney eignet. Midjourney hat die Ideen dann visuell umgesetzt. Das war ein Versuch, und ich fand die ersten Ergebnisse tatsächlich recht überzeugend. Es kamen teilweise überraschende Entwürfe heraus. Allerdings mussten wir ein wenig mit den Parametern experimentieren – vor allem mit dem
sogenannten „Weird-Parameter“. Der wurde zum Teil etwas höher eingestellt, wenn die Entwürfe zu brav oder vorhersehbar waren. Insgesamt war es ein echtes Experiment. Umso ernüchternder war es dann, als eine Ingenieurin für Bekleidungstechnik die Ergebnisse für uns analysiert und kritisiert hat. Ihre Einschätzung war klar: Das ist eigentlich nicht kreativ. Warum nicht? Weil es die Anforderungen nicht erfüllt. Einige der Entwürfe wären in der Realität unbequem oder unpraktisch. Zudem wurden Elemente übernommen, die gar nicht zur Funktion von Dienstkleidung passen – etwa aus dem Bereich Sport oder Freizeitmode.
Das zeigt im Grunde genau das Problem: KI arbeitet mit Daten aus der Vergangenheit. Wenn wir mit einem bestehenden Modell arbeiten, stammen die Trainingsdaten oft von vor mehreren Jahren. Ganz aktuelle Entwicklungen fließen nicht ein. Und deshalb ist es letztlich eine strukturelle Grenze: KI kann nichts wirklich Neues schaffen, sondern nur bestehende Elemente neu kombinieren. Das führt dazu, dass am Ende häufig etwas entsteht, das wir im Grunde schon kennen. Und genau deshalb waren die Entwürfe – beim zweiten Hinsehen – eben doch nicht wirklich kreativ.
Wie geht man mit der Frage nach dem Autor oder der Autorin um? Wenn man zum Beispiel bei Midjourney etwas promptet, ist dieses KI-generierte Werk dann mein Werk? Bin ich dann der Autor oder die Autorin oder ist die KI die Urheberin? Oder gibt es da Grauzonen bei der Urheberschaft? Wie sehen Sie das?
Auf jeden Fall. Aber ich glaube, die Frage ist nicht leicht zu beantworten, weil wir es hier mit einem sehr breiten Spektrum zu tun haben. Wenn ich bei Midjourney einen sehr kurzen Prompt eingebe, der nur aus einem Satz besteht und vieles offenlässt, zum Beispiel: „Ein Mensch steht mit einem Haustier vor einem Zirkuszelt“, dann entstehen sehr unterschiedliche Bilder. Je öfter ich den Prompt ausführe, desto mehr werde ich sehen, wie stark sich die Ergebnisse unterscheiden.
Ich habe nicht festgelegt, ob es ein Mann, eine Frau oder eine nonbinäre Person ist. Ich habe nicht gesagt, was für ein Haustier es ist, ob es Tag oder Nacht ist, ob die Person glücklich oder verzweifelt ist. All das habe ich offengelassen und diese Entscheidungen trifft die KI. In so einem Fall würde ich sagen, liegt ein großer Teil der Autorschaft bei der KI.
Ich kann aber auch einen Prompt so detailliert formulieren, dass ich die Szene vorher ganz genau im Kopf habe und der Prompt so präzise ist, dass ich, wenn ich ihn in verschiedenen Modellen eingebe – also zum Beispiel im neuen Bildmodell von ChatGPT, bei Midjourney oder Leonardo – immer ähnliche Bilder bekomme. Dann würde ich sagen, liegt die Autorschaft eher bei mir. Es ist also ein Spektrum.
Außerdem ist es so, dass viele Menschen, die mit KI arbeiten, die Ergebnisse noch weiter bearbeiten – oder überhaupt zunächst eigene Bilder hochladen, zum Beispiel Fotografien. Ich habe das in manchen Fällen auch gemacht, etwa für die Ausstellung. Bei einer Pflanze, die Midjourney erzeugt hatte, war mir das Ergebnis immer zu perfekt. Deshalb habe ich eine leicht kränkelnde Pflanze aus meinem eigenen Bestand fotografiert – mit braunen Flecken auf den Blättern und auf dieser Grundlage weiter mit Midjourney gearbeitet.
Das ist nur ein kleines Beispiel aus der Ausstellung, aber viele, die mit KI arbeiten, verwenden ihr eigenes Bildmaterial, das sie dann verfremden. Die Frage nach der Autorschaft stellt sich dadurch noch einmal ganz anders, weil die Grundlage des Bildes eben eine reale Fotografie ist. Deshalb gibt es hier einfach ein sehr weites Spektrum. Und rechtlich ist es meines Wissens im Moment so: Wenn ich zum Beispiel einen Pro Account bei Midjourney habe oder einen kostenpflichtigen Zugang zu
einer anderen Software nutze, dann bin ich die Urheberin des Bildes – unabhängig davon, wie viel oder wenig ich dafür eingegeben habe.
Gibt es Unterschiede in der Reaktion auf KI zwischen verschiedenen Gruppen – etwa zwischen Besucher*innen, Künstler*innen oder auch Kurator*innen? Begegnet man dem Einsatz von KI eher mit Begeisterung, oder überwiegt noch immer die Skepsis?
Ich glaube, dass sich die Entwicklung im Moment stark auseinander bewegt. Es gibt auf jeden Fall viele Menschen, denen KI dabei hilft, kreativ zu werden – das habe ich in Workshops oft erlebt. Meiner Auffassung nach trägt jeder Mensch Kreativität in sich, viele wissen nur nicht, wie sie diese ausleben können. Ich erlebe häufig, dass Menschen richtig beglückt sind, wenn sie mit Midjourney ihre inneren Bilder visualisieren können. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Frau, die so gerührt war, dass sie fast geweint hätte. Sie hatte ein Bild im Kopf, das sie nie zeichnen konnte, weil sie im Kunstunterricht immer schlecht bewertet wurde. Und plötzlich hatte sie ein Werkzeug, mit dem sie sich ausdrücken konnte.
Aber es gibt auch viele Menschen, die KI – oder ganz grundsätzlich Kreativität mit KI – ablehnen. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. Bei manchen ist es, glaube ich, auch eine Art narzisstische Kränkung – so in dem Sinne: „Wenn uns jetzt auch noch die Kreativität genommen wird, was macht uns dann eigentlich noch menschlich?“ Andere wiederum haben nachvollziehbare Gründe: Viele Menschen, die als Fotograf*innen oder Künstler*innen arbeiten, empfinden KI als
Bedrohung für ihre Arbeit. Und gleichzeitig wurden ihre Werke vielleicht sogar als Trainingsdaten verwendet – auch das ist natürlich ein berechtigter Grund für Skepsis.
Und dann gibt es noch die „Goldgräber“, die glauben, mit KI schnell groß rauszukommen. Die denken: „Jetzt kann ich Galerien bestücken, weil es so einfach und schnell geht.“ Ich glaube, momentan entwickeln sich diese Dynamiken in sehr viele Richtungen gleichzeitig. Meiner Überzeugung nach ist KI dann sinnvoll eingesetzt, wenn sie Kreativität nicht ersetzt, sondern erweitert. Ich habe auch mit einigen Leuten gesprochen, die das ähnlich sehen. Ich kenne zum Beispiel Fotografen, die weiterhin ganz klassisch fotografieren – aber KI nutzen, um ihre Ideen vorab zu visualisieren. Vor allem bei aufwendigen Produktionen, die sonst an einem anderen Ort stattfinden müssten und im Studio nicht realisierbar wären. So eine Fotoproduktion würde normalerweise vielleicht erst einmal 20.000 Euro kosten. Mit KI ist es viel leichter geworden, die Kundinnen und Kunden zu überzeugen, weil man vorher schon ziemlich genau zeigen kann, wie es später aussehen könnte. Die Auftraggeber bekommen ein klares Bild und entscheiden sich dann oft schneller, weil sie dieses Bild plötzlich vor Augen haben.
Solche Beispiele finde ich sehr sinnvoll: KI wird in kreativen Berufen als Werkzeug eingesetzt, ohne dass sie am Ende das fertige Ergebnis liefert.
Interview geführt von Alina Gutschalk am 04.06.2025

