Forschung

Was Mode zum idealen Experimentierfeld
für KI-generierte Bilder macht

 

KI genereriertes Kleid mit großer Schnalle in orange schwarz als Postuniform

Konzept und Text-to-Image-Prompt ChatGPT; Visualisierung Midjourney

Artificial Inspiration
Was Mode zum idealen Experimentierfeld für KI-generierte Bilder macht

Mode als KI-Hype: Warum faszinieren AI-generierte Fashion-Bilder? Unter Hashtags wie #aifashion oder #aifashiondesign entdecken wir unzählige Beiträge, oft mit zehntausenden Likes. Accounts mit riesigen Reichweiten zeigen, dass KI-Modebilder einen Nerv treffen. Doch warum ist das so?
Digitalkuratorin Maren Burghard hat bei den Medienwissenschaftlerinnen Prof. Dr. Angela Krewani und Dr. Kathrin Yacavone von der Philipps-Universität Marburg nachgefragt.

Prof. Dr. Angela Krewani: Mode hat einen populärkulturellen Anteil, der in individuelle Lebenserfahrung hineinreicht. Mode und die Konstruktion von Identität sind eng miteinander verkoppelt. Mode kann als ein Zeichensystem für individuelle Positionen verstanden werden. KI beschleunigt Zeichensysteme und fördert ein spielerisches Verhältnis zur Mode. Sie unterstützt den Designprozess und spart Kosten für Darstellung und Entwurf. 
Dr. Kathrin Yacavone: Generell kann man auch eine Affinität zwischen KI-generierten Bildern und den Plattformen der Sozialen Medien beobachten: dort zirkulieren die neuen Bildwelten am schnellsten und effektivsten, werden geteilt und geliked, und verdichten sich durch Hashtags und Algorithmen zu Trends oder gar viralen Inhalten.

Bedeutet das, dass unser individueller Geschmack weniger wichtig wird und stattdessen Algorithmen entscheiden, welche KI-generierten Bilder wir sehen?

Dr. Kathrin Yacavone: Ja, unbedingt. Individueller Geschmack spielt, wenn überhaupt eine untergeordnete Rolle. KI-generierte Modebilder zeichnen sich häufig durch schrille, außergewöhnliche und futuristisch anmutende Motive aus, die den Bildinhalten entsprechen, die von den Algorithmen bevorzugt werden.
Prof. Dr. Angela Krewani: Im positiven Sinne lassen sich auch andere, kritische Fragen an die Algorithmen koppeln: Zum Beispiel Ökologien von Mode, Arbeitsbedingungen etc. Diese könnten durch KI besser offengelegt und in den Diskurs über Mode integriert werden.
Dr. Kathrin Yacavone: Auch jenseits der digitalen Bilderzeugung setzt die Mode auf ausdrucksstarke, teils polarisierende Bilder. Denken Sie an die Benetton-Werbung der 1990er Jahre mit den Schockbildern des kürzlich verstorbenen Fotografen Oliviero Toscani. Mit anderen Worten: Das Feld „Mode“ inspiriert zu Bildexperimenten, für die KI-Tools zur Bildgenerierung ideale Werkzeuge sind. 

Sind KI-generierte Modebilder auch deshalb erfolgreich, weil Mode Struktur in die grenzenlose Bildproduktion der KI bringt? Mode bietet nicht nur einen Referenzrahmen für Kreativität, sondern auch die Chance, diesen bewusst zu durchbrechen.

 

Prof. Dr. Angela Krewani: Das ist wahrscheinlich ein Grund. Mode kann auf ein visuelles und kulturelles Gedächtnis rekurrieren, das wir alle kennen und wahrscheinlich auch teilen: Mit Mode sind individuelle Erinnerungen vorhanden – wie auch Zugehörigkeit in bestimmten Gruppen. Ist damit nicht auch eine Grundeigenschaft von Kreativität angesprochen in dem Sinne, dass Kreativität ein soziales und materiales Gerüst braucht?

Mode ist eng mit Körperbildern und Schönheitsnormen verknüpft. Wie verändert KI-generierte Mode die Art, wie wir Körper in diesen Bildern wahrnehmen? Gibt es eine Tendenz zur Standardisierung oder zur Extremisierung von Körperformen?

Dr. Kathrin Yacavone:KI-generierte Bilder sind in erster Linie Durchschnittsbilder, d.h. sie repräsentieren den statistischen Durchschnitt derjenigen Bilder, die als Trainingsdaten für das Maschinelle Lernen herangezogen wurden. KI Bildgeneratoren in ihren kommerziell verfügbaren Varianten (Dall-E, Midjourney) sind also strukturell vorgeprägt, eher standardisierte Körperbilder zu erzeugen. Bei allen Zukunftsversprechen der neuen Technologien sind KI-generierte Bilder dadurch auffällig rückwärtsgewandt.

Haben wir eine Chance, das zu ändern?

Dr. Kathrin Yacavone: Die Modebranche ist in besonderem Maße mit Vorstellungen von Normkörpern angereichert, daran haben auch sogenannte „Body Positivity“-Kampagnen nicht wesentlich etwas geändert. Vielleicht ist die Extremisierung von Körperformen eine Möglichkeit, um mit KI-Tools über ihre eigenen Standardisierungen hinauszugehen. Eine Diversifizierung im Sinne individueller Körper ist eher unwahrscheinlich.

 

Forschung

Kann die Welt durch Künstliche Intelligenz gerechter werden?

 

Foto: Luke Watzke

Die Erlanger Wirtschaftswissenschaftlerin, Feministin und Unternehmerin Eva Gengler wirft einen kritischen Blick auf die Branche und widmet sich in ihrer Forschung besonders den Rechten von bislang benachteiligten Gruppen im Zeitalter der KI. Dabei liegt ein besonderer Fokus für sie auf der Frage, wie diese Technologie diskriminierungsfreier und gerechter werden kann. Daneben engagiert sie sich auch ehrenamtlich etwa bei erfolgsfaktor FRAU e.V. für diese Ziele. Sie hat sich an unserer Umfrage zum Thema KI und Kreativität beteiligt und war Podiumsgast bei unserer Finissage am 20.1.2024. Im Interview äußert sie sich zu aktuellen Trends rund um die Möglichkeiten, KI gerechter zu machen.

In den Niederlanden gibt es jetzt Missjourney, ein Bildgenerator, der nur Frauenportraits zeigt, egal welche nach welcher Profession im Prompt gefragt wird. Ein richtiger symbolischer Schritt auf dem Weg zu feministischer KI?

Ja, das ist ein wichtiger Schritt hin zu einer größeren Sichtbarkeit von Frauen in sämtlichen Berufsfeldern. Gerade in den Berufsgruppen, die wir traditionell weniger mit Frauen verbinden wie z.B. Pilot:innen, Anwält:innen oder Vorständ:innen. So zeigen auch herkömmliche generative Bildgenerierungs-KIs bei Prompts zu „Pilot“, „Anwalt“ und „Vorstand“ klassischerweise weiße Männer. Hier kann Miss Journey einen Beitrag dazu leisten diese Personen dieser Berufsgruppen diverser (auch in Bezug auf z.B. Hauptfarbe) darzustellen. Und von diesen Daten können auch zukünftige KIs lernen, sodass wir hoffentlich das Gap in der Darstellung von Frauen auch mit Hilfe von KI verringern können.

Können wir die Quellen beeinflussen, aus denen die Trainingsdaten für KI gewonnen werden, z.B. gezielt Artikel bei Wikipedia verfassen über marginalisierte Personen?

Ja, wir können – und sollten – Daten schaffen, die eine bessere Repräsentation aufweisen. Ein prominentes Beispiel ist die Physikerin Jessica Wade. Sie verfasst seit Jahren Wikipedia Artikel zu Frauen, um diese und deren Arbeit sichtbarer zu machen. Sie möchte so insbesondere Frauen in der Wissenschaft feiern und sich gegen Sexismus in der Wissenschaft und auf Wikipedia einsetzen. Wir müssen jedoch auch anerkennen, dass sie gegen ein patriarchales System ankämpft und das allein nur sehr schwierig zu schaffen ist. Deshalb braucht es Unterstützer:innen und Sponsor:innen, um diese wichtigen Initiativen nachhaltig aufzustellen. All diese Initiativen, wie auch die, die Fotodatenbanken wie Unsplash diverser machen wollen, indem sie z. B. Fotos von Entwicklerinnen hochladen oder authentische Fotos von Communities in Afrika machen, sind wichtig, denn sie erhöhen die Repräsentanz marginalisierter Gruppen und Perspektiven. Und diversere und inklusivere Daten sind die Grundlage für gerechtere und feministischere KI der Zukunft.

Podiumsdiskussion an der Finissage der Ausstellung "New Realities" im Museum für Kommunikation. Von links nach rechts: Dr. Annabelle Hornung, Vladimir Alexeev, Eva Gengler, Maren Burghard

Foto: Tanja Elm

Stichwort Medienkompetenz, was können Institutionen wie Museen tun, um die Nutzung von KI diskriminierungsfreier zu machen?

Bildung ist elementar, um das Bewusstsein für das Potential und das Risiko von KI in der Gesellschaft, in Unternehmen und in der Politik zu steigern und somit nachhaltig Weichen für eine verantwortungsvollere und gerechtere Entwicklung und den Einsatz von KI zu stellen. In dieser Bildungsaufgabe tragen auch Museen eine wichtige Verantwortung. Sie können z. B. – wie auch im Museum für Kommunikation Nürnberg geschehen – KI in kreativen Projekten und Ausstellungen ein- und in Szene setzen und somit einen Raum schaffen, der einlädt zum Lernen, Ausprobieren und Diskutieren. In Bezug auf KI und deren Auswirkungen auf unser Arbeiten, unsere Kultur und unsere Kreativität sind so viele schwierige Fragen zu stellen und zu beantworten, denen wir uns als Gesamtgesellschaft stellen müssen. Ich denke, dass gerade hier Museen eine wichtige Rolle zukommt: zum Aufklären, zum Erklären und zum Diskutieren.

Welche neuen Entwicklungen wird es ganz konkret im Jahr 2024 geben?

Das ist eine schwierige Frage. Ich sehe weitere Fortschritte im Bereich der generativen KI auf uns zukommen. Die Entwicklungszyklen werden immer kürzer und die Konkurrenz ist groß. In nur wenigen Wochen hat sich die Qualität von Bildgenerierungs-KI immens gesteigert. Diese Entwicklung wird sich weiter fortsetzen. KI unterstützt jetzt schon z.B. bei der Websitegestaltung in Wort und Bild. Ich denke, dass solche Lösungen 2024 immer mehr Funktionen und Bereiche abdecken werden und immer weniger manuelle Arbeit nötig sein wird. Gerade generative KI wird in den vielfältigsten Produkten eingebunden werden und die Arbeitsschritte verändern – das hat aber auch nicht nur Vorteile, weil so auch Stereotype übertragen, Unwahrheiten geteilt und Kreativität verloren gehen kann. Es gibt immer zwei Seiten. Ich freue mich auf ein spannendes neues Jahr im Zeichen der KI!