Arbeiten von Studierenden der Uni Marburg

SYNTHESE:0

 

Video von Dana Lischewski

Vertraue der Freiheit die wir für dich geschaffen haben!

Über den Kurzfilm

Der mit einer KI erstellte experimentelle Kurzfilm SYNTHESE:0 ist nicht einfach eine dystopische Fantasie die zeigen will, wie sich die Kontrolle von KI auf den Menschen, seinen Körper und seine Umwelt auswirken kann. Vielmehr geht es darum, dass verschiedene Spannungsfelder aufgezeigt werden, die die Beziehungen zwischen Körper und Macht, Natur und Design und Fürsorge und Kontrolle in den Mittelpunkt des Geschehens stellen. In der postapokalyptischen Szenerie herrschen Asche, Scherben und Systeme über die einst blühende Welt. Den zwei Figuren erscheint eine leuchtende, perfekte Kugel — eine künstliche Intelligenz, die den Namen HUMAX AI Inc. trägt. Sie bringt den beiden Figuren nicht nur Ordnung und Kleidung, sondern ebenfalls das damit einhergehende Versprechen von Sicherheit.

Allerdings ist der scheinbar fürsorgliche Akt der Errettung durch die KI, deren geschenkte Kleidung das Leben der Figuren erleichtern soll, kein einfacherer Gefallen — denn diese Kleidung fungiert als Mechanismus der Disziplinierung und Normierung. Der Kurzfilm zeigt nicht, wie Macht durch Gewalt wirkt, sondern wie sie sich in Stoffen, Bewegungen und Routinen niederschlägt und diese übernimmt.

„Mein Körper ist ein Tempel — der Kontrolle”

Michel Foucault begreift den Körper nicht lediglich als einfachen menschlichen Körper, sondern versteht ihn als Raum, in welchem die äußere Welt, mit ihren Normen und Erwartungen, auf die innere Welt der Emotionen und persönlichen Überzeugungen trifft. In Werken wie Überwachen und Strafen (1975) und Sexualität und Wahrheit (1976) thematisiert er den Körper als Instanz, die zum Träger von Normen wird und durch Blicke und Disziplinen gelenkt wird.

In SYNTHESE:0 tritt der Körper, als letztes lebendes und organisches Gebilde, an die Stelle der Natur. Während die Welt um die Figuren herum tot ist und von Asche bedeckt ist, ist die Berührung und Nähe der beiden Figuren komplett frei und aus ihrem vorangegangenen Erfahrungen befreit. Die Nähe bietet beiden Wärme und Schutz vor der toten und jetzt feindlichen Umwelt. Die Natur um sie herum gibt es nicht mehr, das natürliche findet sich nur noch zwischen ihren Körpern, nämlich im körperlichen Kontakt. Doch hier beginnt der Konflikt: HUMAX AI Inc. erscheint nicht gewaltsam und kalt, wie die Natur, sondern als übernatürliche, fürsorgliche Instanz. Denn sie bringt Kleidung und somit auch Schutz, aber auch Normen, Disziplinen und Ordnung. Die vorher verletzlichen aber freien Körper werden zu ihrem Schutz optimiert und genormt. Die von HUMAX AI Inc. gebrauchte Kleidung definiert den Körper neu und wirkt sich somit auch darauf aus, wer die Figuren sind oder werden.

Avatar der Macht: Kleidung in SYNTHESE:0

Auch wenn Kleidung ein Ausdruck der Individualität eines jeden sein kann, ist sie in diesem Kurzfilm das Gegenteil. Sie normiert, nimmt Individualität und erlaubt keinen Raum für spielerisches Experimentieren. Hier fungiert Kleidung als eine Avatar für HUMAX AI Inc., der nicht nur Funktionalität verspricht, sondern auch die Gewalt des Normativen mit sich bringt.

Foucault beschreibt Macht nicht als etwas Repressives, sondern etwas, das Subjekte formt, indem sie durch Praktiken, Dispositive und Diskurse organisiert werden. Die Kleidung in SYNTHESE:0 ist ein genau solches Dispositiv, denn sie macht die beiden Figuren kompatibel mit dem System und mit der von HUMAX AI Inc .gebrachten Ordnung.
Das Licht der Kleidung ist nicht nur ein ästhetischer Ausdruck, sondern fungiert als Symbol für Sichtbarkeit und Kontrolle. Dadurch, dass der Körper sichtbar ist, ist er ebenfalls steuerbar. Paradoxerweise ist die repressive Macht der Kleider unsichtbar, sie erscheint hilfreich und zärtlich, was ihre Macht absolut macht.

Tote Natur — Tod des Natürlichen?

SYNTHESE:0 zeigt eine Welt, in der es Natur im engeren Sinne nicht mehr gibt, was zur Frage führt: Was ist eigentlich noch Natur? Der Film zeigt sie nicht als verschwundenes Phänomen, sondern als eines, das von Systemen wie HUMAX AI. Inc. ersetzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt gibt es also keine Natur an sich mehr,
sondern nur noch das Design von dieser. HUMAX etabliert Werte wie “Ordnung”, “Schutz” und “Funktion” als neue Form des natürlichen-Seins.

Auch Foucault hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt und versteht die Natur nicht als etwas, das fest definierbar ist, sondern als etwas dass definiert wird. Was als natürlich gilt, ist also unter künstlichen Kategorien als natürlich beschrieben. Die Kleidung in SYNTHESE:0 macht genau das, sie strukturiert das Organische durch technische, also künstliche Mittel und formatiert das Widerständige.

Freundschaft als Ort der Subversion

In der ersten Phase des Kurzfilms sind die beiden Figuren zu zweit. Sie sind sich nahe, berühren sich, stehen gemeinsam gegenüber einer zerbrochenen Welt. Sie geben nicht auf, da sie sich gegenseitig haben. Diese Momente sind nicht romantisch, sondern politisch motiviert, da in dieser Realität der Weltbezug nur durch das Zwischenmenschliche erfahren bzw. erhalten werden kann. HUMAX AI. Inc., zerstört diese Bindung nicht direkt, es löst sie auf und stellt an ihre Stelle Gleichheit, Synchronität und Funktion. Die Figuren bleiben nicht stehen, sie gehen weiter, allerdings getrennt. Sie berühren sich nicht mehr und schauen auch nicht zurück, denn das System hat sie nicht entfremdet, sondern perfektioniert. Sie sind nicht mehr auf die Sicherheit, die sie sich gegenseitig gegeben haben, angewiesen. Hier wirkt Macht nicht durch Verbote, sondern durch das Produzieren und Motivieren von bestimmtem Verhalten. Die beiden Figuren glauben frei zu sein, allerdings ist diese Freiheit Design und erstellt worden. Sie sind dazu verdammt, sich innerhalb ihres Rahmens zu bewegen und betrauern den Verlust der Freundschaft nicht, da diese bereits vergessen ist — zusammen mit der schwere der toten Welt.Für Immer:

Der Loop des Kurzfilms

Die letzte Szene des Films ist ein Ebenbild der ersten Szene: Zwei Figuren liegen nebeneinander in der Stille, umgeben von Asche. Doch sind sie nicht mehr nackt und somit nicht mehr anfällig für die Geschehnisse in der Natur. Sie sind geschützt, allerdings uniformiert und durch ihren Schutz voneinander getrennt.
Diese Loopstruktur verweist darauf, dass es keine Veränderungen, keine Geschichten und keine Entwicklung mehr gibt. Die Figuren sind optimiert und ihre Welt ist stabil, alles schient in Ordnung — allerdings ist immer noch nichts lebendig und ihre letzte Natürlichkeit haben die Figuren abgelegt: Nämlich ihre Nähe zueinander.
Foucault würde hierin den Endpunkt der Biopolitik sehen; Ein System, dass das Leben der Menschen nicht bedroht, sondern vollständig reguliert und verwaltet. SYNTHESE:0 will diesen Zustand nicht als Szene aus einem Horrorfilm zeigen, sondern als idyllisch und oberflächlich perfekt — und genau das ist das Erschreckende.

SYNTHESE:0

Der Begriff Synthese beschreibt in der Philosophie die Vereinigung verschiedener, oft auch gegensätzlicher, Vorstellungen. Die Zahl 0 steht in der Mathematik oft für die Leere oder Abwesenheit von Quantität. Beide Teile des Namens des Kurzfilms sind in seiner Handlung verankert: zum Beispiel werden die Konzepte von Freiheit und Ordnung durch HUMAX miteinander vereint, während der Loop der letzten Szene die fehlende Entwicklung, bzw. die quantitative Leerstelle— also die 0— aufzeigt. Der Kurzfilm soll nicht laut vor der KI warnen, sondern ihre paradoxen Wirkungsweisen und vor allem ihr Potential, sowohl produktiv als auch destruktiv wirken zu können, hervorheben.
Im Foucault’schen Sinne kann der Kurzfilm als Subjektwerdung beschrieben werden, denn diese werden durch Eingriffe von außen erst herausgebildet. Es bleibt also die Frage: Wenn das, was uns menschlich, natürlich, chaotisch macht geordnet und strukturiert wird, was sind wir dann noch?

Verfasst von Dana Lischewski
(Dieser Text wurde im Sinne der Ausstellung teilweise mit ChatGPT verfasst)

Avatar von Dana Lischewski